Tromba Itallica - Krieg & Frieden - Barocktrompeten Ensemble Berlin

Direkt zum Seiteninhalt



  
Tromba Itallica – Krieg & Frieden
Italienische Musik im Wandel der Zeiten vom 16. zum 17. Jahrhundert
Barocktrompeten Ensemble Berlin
Konzeption & musikalische Gesamtleitung: Johann Plietzsch
Musik von Monteverdi, Gesualdo da Venosa, Gabrieli, Bertali u.a.

Krieg & Frieden

Krieg und Frieden

So wie dieses Wortpaar gibt es viele: Himmel & Erde, Gott & Teufel, Glück & Unglück, um nur Einige zu nennen. Sie verdeutlichen die Ambivalenzen, Balancen – aber auch die Harmonien unseres Lebens. Wie stark die Gegensätze und zerbrechlich die Balancen sind, und wie schnell etwas sprichwörtlich „aus den Fugen“ geraten kann, sehen und spüren wir täglich.

Die heutige Zeit scheint schneller und rasanter zu sein, als die vor 400 Jahren. Ist das wirklich so, oder liegt es an einer verklärenden Rückschau? Ist die Hinwendung zur Retrospektive und die Erforschung vergangener Epochen eine Flucht aus dem Hier und Jetzt?

Die schriftlich überlieferten Musiken des Mittelalters, der Renaissance und des Barock sind ein beredtes Zeugnis vergangener Zeiten. Wir beleben sie durch unser Entdecken, Spielen und Hören zu neuer Existenz. Die Harmonie, Erhabenheit und wunderbare Ordnung in der Musik berührt uns zutiefst – sie sind ein Spiegel unserer Sehnsucht.

Damit sind wir unseren musikalischen Vorfahren ganz nahe: Genau diese Sehnsucht nach Frieden, Harmonie, Erhabenheit und einer wunderbaren Ordnung des Lebens hat die Komponisten veranlasst ihre Werke zu schreiben. Also auch eine Flucht aus der jeweiligen Realität und Begrenztheit ihres Lebens?

Bestimmt war es das, aber das Spannungsfeld zwischen Leben (Realität) und Kunst (Musik) ist zum Glück keine Einbahnstraße. Jedes Konzert, jede Musik, egal ob gehört oder selber gespielt, löst bei uns etwas aus und wirkt zurück auf unsere Existenz.

Gerade weil wir heute in der komfortablen Lage sind fast überall und jederzeit auf die in Bibliotheken und Sammlungen liegenden Musiken zugreifen zu können, sollten wir uns immer wieder die Größe und Bedeutung dieses Schatzes vor Augen führen, und - dass die Fenster, die wir in die Vergangenheit öffnen nur einen unvollkommenen Blick möglich machen.

In Vertonungen von geistlichen und weltlichen Texten werden mit Worten und Musik Geschichten erzählt – oder Geschichte nacherzählt. Gleich der bildenden Kunst, die große Schlachtengemälde und Figurenensembles schuf, gibt es auch in der Musik die Vertonung von Krieg, Kampf, Sieg und Niederlage.

Unser Programm erzählt die Geschichte des kometenhaften Aufstieges der Trompete im 16. & 17. Jahrhundert. Ein Instrument, das sich vom Krieg zum Frieden wandte, dennoch auch kriegerisch blieb und am Ende an seinem Stolz zerbrach.

Italien

Italien, das gelobte Land der Musik, das wie kein anderes die europäische Musikgeschichte beeinflusste, war im 16. Jahrhundert in eine Vielzahl politischer Machtzentren gespalten und damit ein leichter Spielball der großen europäischen Mächte wie Spanien, Frankreich und des Habsburger Imperiums. Trotz oder gerade wegen dieser Umstände war es eine Zeit der Blüte von Kunst und Musik. Die in ständiger Konkurrenz befindlichen zahlreichen italienischen Fürstentümer hielten sich Hofkapellen mit den besten Musikern des Landes und die jeweilig dominierenden Außenmächte gaben die Wege vor, auf denen die italienische Musik ihren Siegeszug durch ganz Europa antrat.

Unser heutiges Programm beleuchtet eine Zeit des Umbruchs von der Spät Renaissance zum Frühbarock mit der Musik der mittel-und oberitalienischen Kulturzentren wie Venedig, Mantua, Florenz, Bologna u.a.

Die Trompetenmusik spielt hierbei eine ganz besondere Rolle. Das erste Repräsentationsinstrument der Kaiser, Könige und Fürsten verdankte seine Sonderstellung seiner immensen militärischen Wichtigkeit: Kein Krieg konnte ohne Trompeter geführt, kein Hofstaat ohne ihre Mitwirkung sinnvoll organisiert werden. Sie begleiteten die Potentaten vergangener Zeiten von der Wiege bis zur Bahre.

Im Gegensatz zu den Hofmusikern waren Trompeter und Pauker als Offiziere militärisch organisiert. Ihre hohe soziale Stellung, besondere Privilegien und ihre eigenen strengen Zunftregeln grenzten sie aber auch stark von den „normalen“ Musikern ab. Erst mit dem Beginn des 17. Jahrhunderts findet die Trompete langsam ihren Platz in der Kunstmusik.

Mit den starken Gegensätzen zwischen den kraftvollen militärischen Trompetenmusiken (Krieg) und den wunderbar sphärischen Klängen von Sängern, Streichern, Zinken und Posaunen (Frieden) beschreibt unser Programm den Anfang dieses nicht einfachen Weges. Nur zaghaft lösen sich diese Gegensätze auf, und die Trompete vollzieht eine erstaunliche Wandlung von der schroff-lärmenden Kriegsmusik zu einem klar singenden und mit dem Klang der menschlichen Stimme korrespondieren Instrumentes.

Schon aus dem 14. Jahrhundert sind aus Italien Berichte über städtische Trompetergruppen und Ausbildungsverträge für Trompetenschüler überliefert. Don L. Smithers zitiert in seinem Buch „The Music and History of the Baroque Trumpet before 1721“ zu diesem Faktum eine städtische Aktennotiz aus Treviso von 1395. Auch in den Archiven von Urbino und Spoleto sind aus dem 16. Jahrhundert Berichte über den Einsatz von Trompetern und Paukern neben den Pifferari (Stadtpfeifer) an hohen Feiertagen überliefert.

Im 17. Jahrhundert waren an den italienischen Höfen neben Sängern und anderen Instrumentalisten, Trompeter und Pauker sowie Zinkenisten und Posaunisten angestellt. Doch ihre Aufgaben waren streng getrennt. Es gibt keinerlei Hinweise auf ein direktes Zusammenwirken der beiden Gruppen, bis auf die Uraufführung Monteverdis "L'Orfeo" 1607 in Mantua. Dabei war die Trompetengruppe des Hofs der Gonzagas zwar an der Opernaufführung beteiligt, erfüllte jedoch wie auch sonst "nur" eine repräsentative Aufgabe: mit einer Fanfare, der bekannten Toccata wurde mit fünf Trompeten und Schlagwerk dem Herrscher und Musikmäzen, dem Fürsten Gonzaga gehuldigt. Diese Uraufführung des "L'Orfeo" kann man als den Eintritt der Trompete in die Kunstmusik bezeichnen. Sie ist damit Ausgangspunkt einer Entwicklung, die über zwei Jahrhunderte hinweg die Trompeter nach und nach aus den rein repräsentativ-militärischen Aufgaben herauslösen und immer mehr in den musikalischen Bereich führen sollte.

Die Komponisten der damaligen Zeit erkannten schnell das Potential und die Einsatzmöglichkeiten der Trompete in der Kirchen- sowie in der Kammermusik. Besonders in Venedig, Bologna und Modena wurden die Trompeter stark in die Orchester- und Kammermusikarbeit einbezogen. Einen weiteren Beweis für den rapiden Aufstieg der Trompete als Kunst-und Musikinstrument liefert die erste, 1638 gedruckte Trompeten-Schule von Girolamo Fantini (1600-1675) aus Spoleto, dem ersten Trompeter des Fürsten Ferdinand II. von Toskana.

„…eine Methode, das Spiel auf der Trompete zu erlernen, sowohl für den Krieg, als auch musikalisch mit der Orgel, mit gedämpfter Trompete, mit dem Cembalo und vielen anderen Instrumenten…“

Neben der Ausführung von kriegswichtigen Signalen beschreibt Fantini dezidiert Artikluations- und Phrasierungstechniken, sowie Ornamentationen (Triller) für das musikalische Trompetenspiel.
Dass die Trompete nun auch ganz anders eingesetzt werden konnte, klar singend im Wettstreit mit den anderen Instrumenten, und doch ihre vorherige martialische Bedeutung und Kraft behielt, erhöhte ihre Attraktivität für Komponisten und auch ihre Auftraggeber immens. Ihre harmonische Eingeschränktheit durch die ausschließliche Verwendung der Naturtonreihe machte die Trompete durch ihren unverwechselbaren Klang wieder wett.

Kunst, Musik und Repräsentation zu vereinen, lag ganz im Interesse der italienischen Fürsten und Adligen. Besonders zu nennen ist hier die Familie der d’Estes (erst Ferrara, ab 1598 dann Modena). Unter der Regentschaft von Francesco d’Este II. gründete die „Bibliotheca Estense“ und beschäftigte die bedeutenden Komponisten M.Uccelini, G.M.Bononcini, G.Vitali, die alle auch Werke für Trompete schrieben Sein Sohn Tomasso d’Este engagierte A.Stradella und den berühmten Domenico Gabrielli, der die sogenannte „Schule von Modena“ etablierte.

Durch die Reisen und wechselnde Engagements der Komponisten verbreitete sich der musikalische Einsatz der Trompete schnell in ganz Italien und später auch in ganz Europa. Das bedeutendste Zentrum der Trompetenmusik war neben Venedig: Bologna. Schon seit dem Mittelalter ein Sammelpunkt intellektueller und künstlerischer Aktivitäten, wurde in Bologna im 11. Jahrhundert die erste Universität Europas gegründet, unter ihren Studenten waren auch Dante Alighieri und Petrarch.

Die große gotische Basilika San Petronio in Bologna (Baubeginn 1390) verfügte über drei Orgeln und eine größere Anzahl von Emporen und Balkonen, die einen Einsatz von Musikern für mehrchörige Musik im gesamten Kirchenraum möglich machen. Doch sie ist nur eine von vielen italienischen Kathedralen (Venedig, Florenz, Mailand…) in denen der gesamte Kirchenraum durch die mehrchörige Aufstellung von Musikergruppen klanglich gefüllt wurde. In der überlieferten Musik dieser Zeit wie z.B. von Andrea und Giovanni Gabrieli, findet die Trompete keinen Einsatz, aber es ist zu vermuten, dass Trompetergruppen an den Aufführungen als separater Chor mit nicht notierten Toccaten oder Intraden beteiligt waren.

Diese Zeit der mehrchörigen Raum-Musik der italienischen Kathedralen geht in der Mitte des 17. Jahrhunderts langsam ihrem Ende entgegen. Eine neue, innovative Komponistengeneration betritt die die musikalische Bühne. Maurizio Cazzati wurde 1657 „Maestro di Capella“ an San Petronio. Er brach im Wesentlichen mit den alten Traditionen, vergrößerte den Chor und das Orchester der Kirche. Die Trompetergruppe wurde verstärkt, um bei großen kirchlichen Feiertagen repräsentative Musik aufzuführen. Auch die Musikbibliothek von San Petronio wuchs in der Zeit Cazzatis immens. In den Beständen sind wunderbare Werke für Trompete von Bononcini, Grossi, Aldrovandini, Franceschini, Gabrielli, Manfredini, Torelli, Corelli u.v.a. zu finden.

Als Instrument der Könige und Fürsten wird die Trompete als klangliche Krönung der Ensemblemusik mehr und mehr eingesetzt. Aber auch als Soloinstrument bekommt sie eine führende Rolle. Von G. Torelli, A. Manfredini u.v.a. sind wunderbare Werke für Trompete und Streicher aus der sogenannten Bologneser Trompetenschule überliefert.

In den mehrchörigen Werken italienischer Komponisten am Wiener Kaiserhof, die unser Programm beschließen, ist die Trompete als Ensembleinstrument mit Streichern, Zinken & Posaunen beeindruckend und kunstvoll eingewoben.

Die Trompete in Krieg und Frieden

Mit einer Violine kann man nicht in den Krieg ziehen. Oder?

Die Trompete (oder besser die trompetenartigen Instrumente) waren von Beginn an mehr Signal-und weniger Musikinstrumente. Aus dieser wichtigen Funktion ergibt sich der Weg dieser Instrumente durch die Geschichte bis heute.

Die menschliche Stimme ist das erste und älteste Musikinstrument der Welt. Das man auch mit dem übrigen Körper Musik machen kann, z.B. mit zusammengepressten Lippen einen Ton erzeugen, und ihn durch in der Natur vorhandene Röhren wie große Muscheln oder Tierhörner verstärken kann, kam wohl kurz darauf. Wie bei der Stimme diente diese „Musik“ nur der Kommunikation – doch als die Jagd geglückt, oder der Feind besiegt war, wurde aus der rein rationalen Signaltechnik eine Tonsprache, die Emotionen transportierte. Wann die Sprache die Musik, oder die Musik die Sprache eroberte, können wir nicht in Jahreszahlen festmachen.

Aber zurück zur Trompete, oder besser gesagt den „trompetenartigen“ Instrumenten.
Eine lange Zeitspanne scheinen die Trompeten aus naturbelassenen Gegenständen ihren Signal-Dienst gut erfüllt zu haben. Doch mit der zunehmenden Handwerkskunst wurden diese Instrumente technisch aufwendiger hergestellt. Sie wurden im Metallguss gefertigt (Keltische Luren und römische Bucinen aus Bronze) und dann Teil für Teil zusammengesetzt. Die mit dem heutigen Blechblasinstrumentenbau vergleichbare Technik, aus einem Metallblattzuschnitt (Messing) Schallbecher und Rohre zu fertigen ist schon aus dem frühen 14. Jahrhundert überliefert.

Diese gehämmerten und getriebenen Metall-Instrumente hatten einen kräftigen und weithallenden Klang, waren also für Signale auch über weite Entfernungen ideal und unterstrichen damit eindrucksvoll ihre Kriegswichtigkeit. Die frühen Trompeten des Mittelalters und der Renaissance waren relativ kurze Instrumente in hoher Stimmung (Eb, F). Das hatte einfach mit dem Transport und der nötigen Beweglichkeit des Trompeters zu Pferd zu tun.

Michael Praetorius (1571-1621)

„Trummet ist ein herrlich Instrument / wenn ein guter Meister / der es wol und künstlich zwingen kann / darüber kömmt...“

Michael Praetorius schreibt in seinem „Syntagma Musicum“ (1615/1619) : „dass die Trompeten verlängeret wurden“. Damit war das diatonische Spiel in der zweiten Oktave (Clarin-Lage) leichter möglich und wurde nachweislich auch von den militärischen Trompetern genutzt. In den Trompeterbücher von Magnus Thomsen und Hendrich Lübeck vom Ende des 16. Jahrhunderts, beide Trompeter am Kopenhagener Hof, finden wir die ersten schriftlich überlieferten Beispiele dafür. Allerdings ist dort bis auf wenige Ausnahmen die Musik als Prinzipal-Tabulatur geschrieben, also nur die dritte Stimme notiert, während die 1. & 2. Clarin-Trompete darüber improvisierten.

Die Anzahl der Trompeter und Pauker eines Herrschers sagte viel über seine Macht und: seine Bonität aus! Denn die mit großen Privilegien ausgestatteten Trompeter und Pauker waren ihrem Dienstherren nicht nur lieb, sondern auch teuer! Ein Hoftrompeter musste neben seinem hohen Sold mit seinem Instrument und einem Pferd ausgestattet werden, seine Unterkunft war frei, Holz zum Heizen, eine bestimmte Menge Wein und Bier wurden frei gestellt. Die soziale Absicherung umfasste auch eine Witwen-und Waisenrente im Ablebensfall. Im Gegenzug haftete er aber auch mit seinem Leben für die Richtigkeit seiner Signale im Krieg.
Diese Exklusivität setzte sich auch in den Regeln der Reichszunft der Trompeter und Heerpauker des Heiligen römischen Reiches Deutscher Nation fort. Neben ihren Privilegien waren dort auch Ausbildungs-und Verhaltenskodexe seit dem 14. Jahrhundert festgeschrieben.  

Das Musizieren mit „gemeinen Musikern“ (d.h. nicht standesgemäßen) war bei Strafe untersagt. Es gab ein sich aus der Geheimhaltungspflicht der Kriegssignale hergeleitetes Notationsverbot. Die Ausbildung eines Trompeters dauerte drei Jahre, wobei ein Lehrer immer nur einen Schüler unterrichten durfte. Erst nach einigen durchgestandenen Feldzügen konnte ein Trompeten-Geselle in den Hoftrompeter-Stand übernommen werden. Nur die besten unter ihnen durften sich nach einer weiteren Prüfung „musikalische Trompeter“ nennen.
Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts wurden die Hoftrompeter immer mehr in das Musizieren mit anderen Hofmusikern einbezogen wurden, doch waren sie weiterhin primär militärisch organisiert und angestellt.

Die Blütezeit der „musikalischen Trompeter“, das „Zeitalter der Clarinblaskunst“ geht mit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zu Ende. Mit dem Beginn der Klassik änderte sich der musikalische Zeitgeschmack, die technische Eingeschränktheit der Trompete als Instrument konnte damit nicht mithalten. Aber auch der Standesdünkel der Reichszunft-Trompeter, ihre Abgrenzung zu anderen Musikern und die schmalen Wege der Wissensvermittlung taten ihr Übriges.

Mit der französischen Revolution 1789 beginnt auch der Niedergang der Adelsmacht in Europa. In der kommenden bürgerlichen Musikkultur hat die „königliche“ Trompete keinen Platz. Auch die Erfindung der Ventile 1815 und die damit verbundene Chromatisierung über den gesamten Tonvorrat konnte diesen Traditionsbruch nicht aufhalten. Erst im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts ist die (Ventil)-Trompete wieder im Kulturorchester als vollwertiges Musikinstrument angekommen.

Johann Plietzsch 2018


 
 
 
 
Zurück zum Seiteninhalt