Die Spiegel von Versailles - Barocktrompeten Ensemble Berlin

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Die Spiegel von Versailles

Barocke Pracht vom Hof des Sonnenkönigs und ihre europäischen Reflektionen
Festmusiken aus Frankreich, Deutschland & England
für großes Bläser-Ensemble auf historischen Instrumenten



Marc Antoine Charpentier  
Symphonie pour Te Deum

Michel-Robert Delalande  
Symphonies pour les soupers du roi Premier Caprice & Concert de Trompettes pour les festes sur le Canal de Versailles

Johann Friedrich Fasch                      
Concerto à tre chori

Georg Friedrich Händel                               
"Music for the Royal Fireworks" Feuerwerksmusik HWV 351
(original version 1749 for winds & drums)
 

Die Spiegel von Versailles

Das 17. Jahrhundert war in Europa eine Zeit großer Umwälzungen und kriegerischer Auseinander-setzungen. Nachdem der große „Dreißigjährige Krieg“ 1648 mit dem Westfälischen Frieden ein Ende gefunden hatte, kam nach dem Schrecken des Krieges, der Verheerung und Verödung ganzer Landstriche – Deutschland war als akuter Kriegsschauplatz besonders betroffen – eine Zeit des Aufbaus und der Neubesinnung.
Diese neue Prosperität war am augenscheinlichsten in den großen Residenzen, den politischen und wirtschaftlichen Machtzentren Europas zu sehen. Nach der Wiedereinsetzung der Monarchie in England 1662 – wohlgemerkt eine konstitutionelle Monarchie mit Parlament – begannen Kunst und Musik am Hofe, aber auch die bürgerliche Kultur zu blühen. Von der Wirtschaft ganz zu schweigen.
Ähnliche Entwicklungen sind in vielen europäischen Machtzentren zu verzeichnen. Und so hat die zweite Hälfte des 17. Jahrhundert eine Menge an Potentaten hervorgebracht, die ihrem Bedürfnis folgten, mit herausragender Architektur, der besten Kunst und der schönsten Musik zu beeindrucken. Politik hat verschiedene Wege. Auch die Diplomatie. Es muss nicht immer Krieg sein. Eine prachtvolle, glänzende Hofhaltung mit allen „Accessoires“ kann eine kraftvolle Machtdemonstration und Ausgangspunkt für erfolgreiche Verhandlungen sein…
Einer von ihnen beherrschte diese Kunst am besten: Ludwig XIV. von Frankreich! Er übertraf sie alle in absoluter Machtfülle, höfischer Pracht und Glanz.
Der Titel unseres Programmes „Die Spiegel von Versailles“ ist einerseits eine Reminiszenz an den exorbitanten Spiegelsaal im Schloss des Sonnenkönigs – aber er umschreibt die von dort ausgehende Wirkung auf die Kunst und Kultur – und besonders die Musik in ganz Europa: „gespiegelt“ -- ein Echo. Dazu nur bemerkt: Auch wenn ein Echo nicht so laut und präsent wie der Originalklang ist, so kann es doch sehr fein und reizvoll sein!

Ludwig XIV. und der Hof von Versailles

Bereits im Alter von vier Jahren wurde Ludwig XIV. (1638-1715) König von Frankreich. Er stand zunächst unter der Vormundschaft seiner Mutter Anna von Österreich, die 1661 mit seiner Übernahme der Regierungsgeschäfte endete. Diese fast zwanzig Jahre dauernde „Lehrzeit“ als König brachte Ludwig anscheinend einen großen Erfahrungsschatz – wie ein Hof machtpolitisch funktioniert, welche Verbindungen opportun oder loyal sind – quasi ein inneres Studium der Macht und des Machterhalts.
Nach beginn seiner offiziellen Regentschaft baute Ludwig folgerichtig die Verwaltung in seinem Sinne um, stärkte die Armee und minimierte den politischen Einfluss von adligen Opponenten: Alle Macht für den König, den absoluten Herrscher von Gottes Gnaden!
Die von Ludwig XIV. etablierte Hofkultur diente im Wesentlichen zur glanzvollen Repräsentation seiner selbst. Alle höfischen Zeremonien und Ereignisse waren ausschließlich auf ein Ziel gerichtet: Den König als zentrales Symbol der Machtfülle zu zeigen und angemessen zu repräsentieren. Die Macht der Bilder und die der „Begleitmusik“ war Ludwig durchaus bewusst – eine interessante gedankliche Parallele zu unserer modernen Zeit mit den Auswirkungen von Social Media…
Nicht nur wegen seiner langen Regentschaft – immerhin 72 Jahre - sondern auch wegen der Pracht seiner Hofhaltungen in Paris und Versailles bekam Ludwig XIV. den Beinamen „Sonnenkönig“. Schon seit 1661 hatte sich der junge König mit dem Gedanken befasst das kleine Jagdschloss Versailles zu einer wirklichen Residenz umbauen zu lassen. 1677 wurde nach umfangreichen Baumaßnahmen die königliche Residenz von Paris nach Versailles verlegt und noch baulich erweitert.
Dieser ein paar tausend Räume umfassende Prunkbau musste natürlich auch mit Leben gefüllt werden: Kammerdiener, Schneider, Ärzte, Bedienstete aller Arten, Köche und deren Hilfskräfte, Techniker für die Wasserspiele, Offiziere und Soldaten für die Sicherheit des Königs – aber auch Sänger, Musiker und Schauspieler.
Dieses Monstrum am Laufen zu halten war eine wahrhaft riesige logistische Herausforderung, die wenn wir zeitgenössischen Berichten trauen, meisterhaft bewältigt wurde.
Die Gäste des Hofes – Potentaten, Könige, Fürsten und Diplomaten – sie alle trugen die hellen Strahlen der Pracht von Versailles nach ganz Europa. In der versuchten oder auch in Teilen gelungenen Nachahmung der Pracht vom Hof des Sonnenkönigs – in Architektur, Kultur & Musik – sehen wir die „Spiegel von Versailles“.

Die Musik

Für das Programm wurden Kompositionen aus der Mitte des 18 Jahrhunderts ausgewählt, die als festliche Freiluftmusiken konzipiert worden sind. Ausgangspunkt für die Programmgestaltung war eine Handschrift die in der Sammlung der Amalien-Bibliothek - Deutsche Staatsbibliothek zu Berlin - unter der Signatur AmB 589 aufbewahrt wird.
Das Concerto à tre chori wurde zunächst als anonyme Komposition katalogisiert, bis 1982 der Musikwissenschaftler Manfred Fechner die Autorschaft von Johann Friedrich Fasch (1688 - 1758) nachweisen konnte.  Die ungewöhnlich große und klangprächtige Anlage des Stückes - in jedem der drei Chöre spielen drei Trompeten, Pauken, drei Oboen und Fagott - läßt die Annahme zu, daß es sich um eine Auftragskomposition für einen sehr repräsentativen Anlass (für den Berliner Hof?) handelt, jedoch ist eine Aufführung historisch nicht belegt. Die autographe Partitur ist eine Einzelüberlieferung. Es sind weder zeitgenössische Abschriften bekannt, noch ist Stimmenmaterial vorhanden, das auf eine Aufführung in der Entstehungszeit hindeuten würde. Demnach haben wir wahrscheinlich die reizvolle Aufgabe, ein vor über 200 Jahren komponiertes Werk uraufzuführen.  
Johann Friedrich Fasch wurde nach seiner Ausbildung an der Thomasschule in Leipzig und zusätzlichen Studien bei Christoph Graupner in Darmstadt, 1722 in das Amt des Hofkapellmeisters nach Zerbst berufen, welches er bis zu seinem Tode 1758 innehatte. Zerbst wurde 1709 fürstliche Residenz. Gleichzeitig begann dort der Aufbau der Hofkapelle, so dass Fasch bei seinem Amtsantritt auf eine kleine, aber feine Orchestergruppe zurückgreifen konnte. Neben Sängern und Streichern ist durch die Gehaltslisten die Beschäftigung von neun Blechbläsern, darunter vier Trompetern in der Amtszeit von Fasch belegt. Das vorliegende Werk ist also mit Sicherheit nicht für Zerbst, sondern für einen großen Hof, der sich ein Stück mit neun Trompetern hat leisten können, komponiert worden.
 
Michel-Richard Delalande wurde am 15. Dezember 1657 in Paris geboren und lernte schon früh das Spiel auf der Orgel und dem Clavecin. 1683 wurde er einer der Kapellmeister der Chapelle royal. Als „musicien officiel“ bekleidete er mehrere musikalische Ämter am Hof, so auch von 1689 bis 1719 das Amt des Generalintendanten der „musique de la chambre“. Als überaus anerkannter und beliebter Musiker und Komponist wurde er von Ludwig XIV. und seinem Nachfolger Ludwig XV. mit Ehren überhäuft. In der Musik Delalandes sind der französische und der italienische Stil, ganz in der Nachfolge Marc Antoine Charpentiers vereint. Höhepunkte seines Werkes sind die „Grand motets“ für Solisten, Chor und Instrumentalensemble sowie seine Orchestersuiten, die „Symphonies por les souper du roy“. Von den festlichen Musiken für den Versailler Hof, gerade unter Einbeziehung des königlichen Trompeter-Corps, existieren jeweils zwei Fassungen: Die eine für die „musique de la chambre“, bei der neben dem Trompetensatz (mit nur drei Trompeten), Pauken und Holzbläsern auch Streicher mitwirkten, die andere, nur mit Bläsern und Percussion besetzte Fassung für prachtvolle Freiluftkonzerte.
 
Neben dem "Messias" und der "Wassermusik" ist die "Musick for the Royal Fireworks" - die Feuerwerksmusik eines der populärsten Werke Georg Friedrich Händels. Sie enstand als Auftragswerk des englischen Hofes für einen Festakt in Gedenken des im Oktober 1748 geschlossenen Aachener Friedens. So sollte am 27. April 1749 im Londoner Green Park Händels Musik als Begleitung zu einem großen Feuerwerk erklingen. König Georg II. überwachte selbst die Vorbereitungen zu dieser Feier. Diese verliefen zumindest was die Musik betraf nicht ganz reibungslos. Händel konzipierte seine Musik mit einer gemischten Bläser- und Streicherbesetzung, während Georg II. nur militärische Instrumente (Bläser und Pauken) verwendet wissen wollte. Erst in letzter Minute hat sich Händel dem königlichen Willen gebeugt.
 
Die Fireworks Music ist in drei Fassungen überliefert. Fassung I besteht aus aus zwei frühen Varianten der Ouvertüre, die Chrysander (Händel-Gesamtausgabe) als Concerto in F und Concerto in D veröffentlichte. Fassung II ist die (leider nicht erhalten gebliebene) vollständige Partitur der Aufführung am 27. April 1749, bei der nur Bläser und Pauken zum Einsatz kamen. Fassung III ist in Händels Autograph enthalten, das Chrysander als Vorlage für seine Druck-Ausgabe diente. Diese Fassung sieht die obligatorische Mitwirkung der Streicher vor. Zu ihren Gunsten wurde die Anzahl der Bläser eingeschränkt. Dies ist vermutlich die am 27. Mai 1749 im Foundling Hospital erstaufgeführte "Konzertfassung" der Feuerwerksmusik für Bläser und Streicher, die wahrscheinlich Händels ursprünglicher Konzeption am nächsten kommt. In unserem Projekt konzentrieren wir uns auf Fassung II, ausschließlich mit Bläsern und Pauken besetzt.
Die historischen Berichte gehen von mindestens 56 Musikern bei der Uraufführung aus. Leider ist in ihnen nichts über die Aufstellung und eventuelles chorisches Musizieren überliefert. Letzteres ist, wenn man die Partitur der Feuerwerksmusik studiert, als höchst wahrscheinlich anzunehmen.
Durch die Aufteilung des mehr als 30 Musiker umfassenden Ensembles in drei Chöre ergeben sich vielfältige Klangmöglichkeiten, die dieses wirklich sehr bekannte Stück in einem ganz neuen Licht erscheinen lassen.

Johann Plietzsch 2023

 
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