Barocke Pracht vom Hof des Sonnenkönigs und ihre europäischen Reflektionen
Festmusiken aus Frankreich, Deutschland & England
für großes Bläser-Ensemble auf historischen Instrumenten
Konzeption & musikalische Leitung - Johann Plietzsch
Ganz der Intention des Titels folgend, hat das Barocktrompeten Ensemble Berlin für die Realisierung 34 Musiker aus fast ganz Europa - alles hervorragende Spezialisten im Bereich der Alten Musik - eingeladen, um dieses prachtvolle Konzert-Ereignis bei den Händelfestspielen 2024 aufzuführen.
Zwölf Oboen, neun Trompeten, drei Hörner, drei Fagotte, drei Kontrafagotte (Eine Konzertankündigung aus London von 1739 vermerkt schon allein die Mitwirkung von zwei „Double-Bassoons“ als einmalige Sensation), vier Paukenpaare, inklusive eines Paares eine Oktave tiefer klingender Pauken - (Händel hat laut historischen Berichten sich für seine Aufführungen "large military drums" aus dem Tower of London ausgeliehen) - entfachten ein fulminantes Feuerwerk farbenreicher Klänge in der Marktkirche zu Halle.
Ein wahrhaft europäisches Konzertprojekt...
Photos: Thomas Ziegler
Marc Antoine Charpentier
Symphonie pour Te Deum
Michel-Richard Delalande
Symphonies pour les soupers du roi Premier Caprice & Concert de Trompettes pour les festes sur le Canal de Versailles
André Dancian Philidor
Marche de timbales
Johann Friedrich Fasch
Concerto à tre chori FaWV L:D13
Georg Friedrich Händel
"Music for the Royal Fireworks" Feuerwerksmusik HWV 351
(original version 1749 for winds & drums)
Die Spiegel von Versailles
Er ist das Sinnbild barocker Macht und Pracht: Der Spiegelsaal in Versailles, der berühmteste Raum jenes riesigen Schlosses, das Ludwig XIV. nahe Paris bauen ließ und zu seiner Residenz erklärte. Alle Fürsten Europas nahmen sich diesen Überfluss zum Vorbild, und so sind die Spiegelungen von Versailles – im übertragenen Sinne – auch in der Architektur, bildenden Kunst und Musik der Nachbarländer zu finden. Das Konzertprogramm umfasst mehrere für sehr festliche höfische Anlässe geschriebene Kompositionen, die unter anderem als prachtvolle Freiluftmusik konzipiert sind. Am bekanntesten ist wohl die Feuerwerksmusik HWV 351 von Georg Friedrich Händel, aufgeführt in der Originalfassung von 1749. Hinzu kommen zwei Werke für den Hof Ludwigs XIV.: die Symphonie Premier Caprice & das Concert de Trompettes des damaligen Kapellmeisters der „Chapelle royale“ Michel-Richard Delalande und eine von dessen Kollegen Marc-Antoine Charpentier. Schließlich erklingt noch das prächtige Concerto à tre Chori FWV L:D13 des in Zerbst tätigen Johann Friedrich Fasch.
Das 17. Jahrhundert war in Europa eine Zeit großer Umwälzungen und kriegerischer Auseinander-setzungen. Nachdem der große „Dreißigjährige Krieg“ 1648 mit dem Westfälischen Frieden ein Ende gefunden hatte, kam nach dem Schrecken des Krieges, der Verheerung und Verödung ganzer Landstriche – Deutschland war als akuter Kriegsschauplatz besonders betroffen – eine Zeit des Aufbaus und der Neubesinnung.
Diese neue Prosperität war am augenscheinlichsten in den großen Residenzen, den politischen und wirtschaftlichen Machtzentren Europas zu sehen. Nach der Wiedereinsetzung der Monarchie in England 1662 – wohlgemerkt eine konstitutionelle Monarchie mit Parlament – begannen Kunst und Musik am Hofe, aber auch die bürgerliche Kultur zu blühen. Von der Wirtschaft ganz zu schweigen.
Ähnliche Entwicklungen sind in vielen europäischen Machtzentren zu verzeichnen. Und so hat die zweite Hälfte des 17. Jahrhundert eine Menge an Potentaten hervorgebracht, die ihrem Bedürfnis folgten, mit herausragender Architektur, der besten Kunst und der schönsten Musik zu beeindrucken. Politik hat verschiedene Wege. Auch die Diplomatie. Es muss nicht immer Krieg sein. Eine prachtvolle, glänzende Hofhaltung mit allen „Accessoires“ kann eine kraftvolle Machtdemonstration und Ausgangspunkt für erfolgreiche Verhandlungen sein…
Einer von ihnen beherrschte diese Kunst am besten: Ludwig XIV. von Frankreich! Er übertraf sie alle in absoluter Machtfülle, höfischer Pracht und Glanz.
Der Titel unseres Programmes „Die Spiegel von Versailles“ ist einerseits eine Reminiszenz an den prächtigen Spiegelsaal im Schloss des Sonnenkönigs – zusätzlich beschreibt er die vom französischen Hof ausgehende Wirkung auf Kunst und Kultur – und besonders auf die Musik in ganz Europa:
„Gespiegelt“ -- ein Echo. Dazu nur bemerkt: Auch wenn ein Echo nicht so laut und präsent wie der Originalklang ist, so kann es doch sehr fein und reizvoll sein!
Ludwig XIV. und der Hof von Versailles
Bereits im Alter von vier Jahren wurde Ludwig XIV. (1638-1715) König von Frankreich. Er stand zunächst unter der Vormundschaft seiner Mutter Anna von Österreich, die 1661 mit seiner Übernahme der Regierungsgeschäfte endete. Diese fast zwanzig Jahre dauernde „Lehrzeit“ als König brachte Ludwig anscheinend einen großen Erfahrungsschatz – wie ein Hof machtpolitisch funktioniert, welche Verbindungen opportun oder loyal sind – quasi ein inneres Studium der Macht und des Machterhalts.
Nach Beginn seiner offiziellen Regentschaft baute Ludwig folgerichtig die Verwaltung in seinem Sinne um, stärkte die Armee und minimierte den politischen Einfluss von adligen Opponenten: Alle Macht für den König, den absoluten Herrscher von Gottes Gnaden!
Die von Ludwig XIV. etablierte Hofkultur diente im Wesentlichen zur glanzvollen Repräsentation seiner selbst. Alle höfischen Zeremonien und Ereignisse waren ausschließlich auf ein Ziel gerichtet: Den König als zentrales Symbol der Machtfülle zu zeigen und angemessen zu repräsentieren. Die Macht der Bilder und die der „Begleitmusik“ war Ludwig durchaus bewusst – eine interessante gedankliche Parallele zu unserer modernen Zeit mit den Auswirkungen von Social-Media…
Nicht nur wegen seiner langen Regentschaft – immerhin 72 Jahre - sondern auch wegen der Pracht seiner Hofhaltungen in Paris und Versailles bekam Ludwig XIV. den Beinamen „Sonnenkönig“. Schon seit 1661 hatte sich der junge König mit dem Gedanken befasst das kleine Jagdschloss Versailles zu einer wirklichen Residenz umbauen zu lassen. 1677 wurde nach umfangreichen Baumaßnahmen die königliche Residenz von Paris nach Versailles verlegt und noch baulich erweitert.
Dieser ein paar tausend Räume umfassende Prunkbau musste natürlich auch mit Leben gefüllt werden: Kammerdiener, Schneider, Ärzte, Bedienstete aller Arten, Köche und deren Hilfskräfte, Techniker für die Wasserspiele, Offiziere und Soldaten für die Sicherheit des Königs – aber auch Sänger, Musiker und Schauspieler.
Dieses Monstrum am Laufen zu halten war eine wahrhaft riesige logistische Herausforderung, die wenn wir zeitgenössischen Berichten trauen dürfen, meisterhaft bewältigt wurde.
Die Gäste des Hofes – Potentaten, Könige, Fürsten und Diplomaten – sie alle trugen die hellen Strahlen der Pracht von Versailles nach ganz Europa. In der versuchten oder auch in Teilen gelungenen Nachahmung der Pracht vom Hof des Sonnenkönigs – in Architektur, Kultur & Musik – sehen wir die „Spiegel von Versailles“.
Die Musik
Für das Programm wurden Kompositionen vom Ende des 17. bis zur Mitte des 18 Jahrhunderts ausgewählt, die als festliche Freiluftmusiken konzipiert worden sind. Ausgangspunkt für die Programmgestaltung und auch besondere Aufstellung der Musiker bei der Aufführung, ist eine Handschrift, die in der Sammlung der Amalien-Bibliothek - Deutsche Staatsbibliothek zu Berlin - unter der Signatur AmB 589 aufbewahrt wird.
Das Concerto à tre Chori wurde zunächst als anonyme Komposition katalogisiert, bis 1982 der Musikwissenschaftler Manfred Fechner den Zerbster Kapellmeister Johann Friedrich Fasch (1688 - 1758) als Autor nachweisen konnte. Die ungewöhnlich große und klangprächtige Anlage des Stückes - in jedem der drei Chöre spielen drei Trompeten, Pauken, drei Oboen und Fagott - lässt die Annahme zu, dass es sich um eine Auftrags- oder Dedikationskomposition für einen sehr repräsentativen Anlass handelt. Jedoch ist die autographe Partitur ist eine Einzelüberlieferung. Es sind weder zeitgenössische Abschriften bekannt, noch ist Stimmenmaterial vorhanden.
Johann Friedrich Fasch wurde nach seiner Ausbildung an der Thomasschule in Leipzig und zusätzlichen Studien bei Christoph Graupner in Darmstadt, 1722 in das Amt des Hofkapellmeisters nach Zerbst berufen, welches er bis zu seinem Tode 1758 innehatte. Zerbst wurde 1709 fürstliche Residenz. Gleichzeitig begann dort der Aufbau der Hofkapelle, so dass Fasch bei seinem Amtsantritt auf eine kleine, aber feine Orchestergruppe zurückgreifen konnte. Neben Sängern und Streichern ist durch die Gehaltslisten die Beschäftigung von neun Blechbläsern, darunter vier Trompetern in der Amtszeit von Fasch belegt.
Aus zeitgenössischen Dokumenten geht hervor, das Fasch 1745 eine „Serenata“ für die Feierlichkeiten anlässlich der Eheschließung der Anhalt-Zerbster Prinzessin Sophie Auguste Friederike (der späteren Zarin Katharina) mit dem Großfürsten Peter von Russland komponiert hat.
Bei so diplomatisch hochstehenden und besonderen Anlässen, war es durchaus üblich, dass der eingeladene Hof seine Musiker – besonders Trompeter & Pauker, Oboisten & Fagottisten - mit auf die Reise nahm. Auch Musiker von nähergelegenen Hofkapellen könnten als Gäste involviert gewesen sein. Somit könnte das Concerto à tre Chori durchaus ein Teil der opulenten Festmusik von 1745, der „Hochzeits-Serenata“ gewesen sein.
Aber auch eine Aufführung am Dresdner Hof, dem Fasch als Komponist sehr verbunden war, ist durchaus denkbar. Dresden verfügte in der Mitte des 18. Jahrhunderts über ein 13-köpfiges Trompeter-Corps.
Michel-Richard Delalande wurde am 15. Dezember 1657 in Paris geboren und lernte schon früh das Spiel auf der Orgel und dem Clavecin. 1683 wurde er einer der Kapellmeister der "Chapelle royal". Als „musicien officiel“ bekleidete er mehrere musikalische Ämter am Hof, so auch von 1689 bis 1719 das Amt des Generalintendanten der „musique de la chambre“. Als überaus anerkannter und beliebter Musiker und Komponist wurde er von Ludwig XIV. und seinem Nachfolger Ludwig XV. mit Ehren überhäuft. In der Musik Delalandes sind der französische und der italienische Stil, ganz in der Nachfolge Marc Antoine Charpentiers vereint. Höhepunkte seines Werkes sind die „Grand motets“ für Solisten, Chor und Instrumentalensemble sowie seine Orchestersuiten, die „Symphonies por les souper du roy“. Von den festlichen Musiken für den Versailler Hof, gerade unter Einbeziehung des königlichen Trompeter-Corps, existieren meistens zwei Fassungen: Die eine für die „musique de lchambre“, bei der neben dem Trompetensatz (mit einer bis drei Trompeten), Pauken und Holzbläsern auch Streicher mitwirkten, die andere, nur mit Bläsern und Percussion besetzte Fassung für prachtvolle Freiluftkonzerte.
Neben dem Oratorium "Messiah" HWV 56 und der Suiten zur "Wassermusik" HWV 348, 349 und 350 ist die "Musick for the Royal Fireworks" - die Feuerwerksmusik HWV 351 eines der populärsten Werke Georg Friedrich Händels.
Sie entstand als Auftragswerk des englischen Hofes für einen Festakt in Gedenken des im Oktober 1748 geschlossenen Aachener Friedens. So sollte am 27. April 1749 im Londoner Green Park Händels Musik als Begleitung zu einem großen Feuerwerk erklingen. König Georg II. überwachte selbst die Vorbereitungen zu dieser Feier. Diese verliefen zumindest was die Musik betraf nicht ganz reibungslos. Händel konzipierte seine Musik mit einer gemischten Bläser- und Streicherbesetzung, während Georg II. nur militärische Instrumente (Bläser und Pauken) verwendet wissen wollte. Erst in letzter Minute hat sich Händel dem königlichen Willen gebeugt.
Die Feuerwerksmusik ist in drei Fassungen überliefert: Fassung I besteht aus aus zwei frühen Varianten der Ouvertüre, die Friedrich Chrysander (Händel-Gesamtausgabe 1859 bis 1894) als Concerto in F und Concerto in D veröffentlichte. Fassung II ist die (leider nicht erhalten gebliebene) vollständige Partitur der Aufführung am 27. April 1749, bei der nur Bläser und Pauken zum Einsatz kamen. Fassung III ist in Händels Autograph enthalten, welches Chrysander als Vorlage für seine Druck-Ausgabe diente. Diese Fassung sieht die obligatorische Mitwirkung der Streicher vor. Zu ihren Gunsten wurde die Anzahl der Bläser eingeschränkt. Dies ist vermutlich die am 27. Mai 1749 im Foundling Hospital erstaufgeführte "Konzertfassung" der Feuerwerksmusik für Bläser und Streicher, die wahrscheinlich Händels ursprünglicher Konzeption am nächsten kommt. In unserem Projekt konzentrieren wir uns auf Fassung II, ausschließlich mit Bläsern und Pauken besetzt.
Die historischen Berichte gehen von mindestens 56 Musikern bei der Uraufführung aus. Leider ist in ihnen nichts über die Aufstellung und eventuelles chorisches Musizieren überliefert. Letzteres ist, wenn man die Partitur der Feuerwerksmusik studiert, als höchst wahrscheinlich anzunehmen.
Durch die Aufteilung des mehr als 30 Musiker umfassenden Ensembles in drei Chöre ergeben sich vielfältige Klangmöglichkeiten, die dieses wirklich sehr bekannte Stück in einem ganz neuen Licht erscheinen lassen.
Johann Plietzsch 2023